Die Oste, der stille Fluß

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07.02.2020

Geschichtsspuren an der Oste -
Vergangenes in die Gegenwart überliefert -
sollen auf dieser Seite festgehalten werden, bevor sie unwiederbringlich für immer vergessen sind

Der Galgenberg an der Oste
Von Dietrich Alsdorf

Die Schiffer auf der Oste befiehl in früheren Jahrhunderten, wenn sie die Dörfer Brobergen und Kranenburg passierten, stets das Grauen. Unweit des Flusses, hoch auf der Geest, ragte dunkel und drohend der Galgen. Unfehlbares Zeichen der hohen Gerichtsbarkeit der adligen Familie von Kranenburg. Oft saßen auf den Querstangen des Gestells die Krähen, deren schauerliches Geschrei weit über das Ostetal zu hören war, vor allem dann, wenn wieder mal ein armer Teufel Opfer mittelalterlicher Justiz wurde.

Auch nahe des adligen Hofes der Familie von Brobergen, nur weinige Kilometer flussaufwärts befand sich eine Richtstätte. Diese ist allerdings vollständig in Vergessenheit geraten. Doch im Gegensatz zu Kranenburg, wo wir keine Kenntnis von Hinrichtungen haben, sind in Brobergen einige Fälle aus der Zeit vor 500 Jahren überliefert.

So zum Beispiel das Schicksal des Fischers Henneke. Dieser hatte das Pech, sich beim Schwarzfischen erwischen zu lassen. Gutsherr Otten von Brobergen machte kurzen Prozess. Gleich an der Oste, dort wo man den Fischer ertappte, ließ er den Unglücklichen in einer Eiche aufknüpfen. Die Eiche soll übrigens noch viele Jahrhunderte gestanden haben. Urteile dieser und ähnlicher Art waren üblich im Ostetal nördlich von Bremervörde, das sich damals die adligen Familien derer von Brobergen und Kranenburg aufgeteilt hatten und auch die "Hohe Gerichtsbarkeit" über ihre abhängigen Bauern ausübten.

Für die Menschen in den Dörfern bedeutete das in der Regel grausame Strafen bei vergleichsweise geringen Vergehen. Das war an der Oste wie auch in den anderen Regionen des Landes üblich. So zum Beispiel ein namentlich nicht bekannter Holzdieb, der sich in der Gegend von Hude/Forst beim Holzdiebstahl hatte erwischen lassen. Auch er wurde von Otten von Brobergen sogleich gehenkt.

Ganz in der Nähe
des heutigen
Kranenburger Gemeindefriedhofs
befand sich einst
die Richtstätte.

In Kranenburg lag der Galgenberg gleich am Ortsrand. Direkt am Wege nach Brobergen erhob sich der Galgen der Marschalken von der Kranenburg. Ein heidebewachsener Hügel mit einem düsteren dreieckigen Galgengestell und einem Rad auf einer Achse. Das schliche Erhängen eines Delinquenten, so wie es Otten von Brobergen um 1500 praktizierte, war noch eine vergleichsweise humane Art aus der breiten Palette mittelalterlicher Hinrichtungspraxis. Es wurde geköpft, gerädert, verbrannt, lebendig begraben. Die Liste grausamster Tötungsmethoden war lang.

Nicht immer hatten die Verurteilten das “Glück”, einfach nur geköpft zu werden.
Richtschwert im Schwedenspeicher-Museum Stade

Der Galgen musste regelmäßig gepflegt werden. War es morsch, musste es ausgetauscht werden. Dies geschah dann, wenn eine neue Hinrichtung durchgeführt werden sollte. Anno 1731 war dies zum Beispiel der Fall. Gutsherr Marschalk gab ein neues Gerüst in Auftrag und tat traditionell als Gerichtsherr den ersten Hammerschlag am neuen Galgen, der jenseits der Oste in Klint gezimmert wurde. Die Klinter trugen den Galgen bis zur Oste und übergaben dort die Einzelteile an die Kranenburger Bauern. Diese mussten den Galgen zum Galgenberg tragen und dort in Gemeinschaftsarbeit aufrichten. Vorgeschrieben war, dass jeder volljährige Mann aus Kranenburg irgendeinen Handschlag an dem Bauwerk zu verrichten hatte. Damit später keiner hätte sagen können, dass er mit den Dingen am Galgenberg nichts zu tun hätte. Der Lohn für Schweiß und Mühe war, so die Überlieferung, eine Tonne Bier.

Hundert Jahre später war Schluss auf dem Galgenberg. Mit Befreiung von der Grundherrschaft endete auch das letzte mittelalterliche Kapitel: die "hohe Gerichtsbarkeit" an der Oste. Der Richtplatz wurde unter den Pflug genommen und nach später entstand dort der Kranenburger Gemeindefriedhof.

Der Goldreif von Himmelpforten -
ältester Goldfund Niedersachsens
Von Dietrich Alsdorf

Antike Goldfunde haben meist eines gemeinsam:

Sie fließen in alle möglichen Kanäle, nur nicht die schützende Obhut von Museen. In Himmelpforten war das im November 1932 zum Glück anders. 72 Jahren ist es nun her, da erregte der Fund eines zunächst unscheinbaren Goldreifs auf einer Weide in Himmelpforten-Löhe für erhebliches Aufsehen. Zunächst in der ländlichen Idylle Himmelpfortens, wenig später in der archäologischen Fachwelt. Etwas ganz einzigartiges war gefunden worden, ein goldener Armreif in einem jungsteinzeitlichen Grab! Nie zuvor war in unserem Raum ein ähnlicher Fund bekannt geworden. Bis heute gilt der Reif als ältester Goldfund Niedersachsens.

Bauer Hinrich Kühlke aus Löhe hatte beim Abgraben von Sand hinter seinem Hof plötzlich etwas Goldenes glänzen gesehen, bückte sich und hielt schließlich einen ovalen dünnen Goldreif in Händen. Ein Fund aus alter Zeit, dass schien klar.

Die archäologische Denkmalpflege lag vor 72 noch in ehrenamtlicher Hand und der zuständige Denkmalpfleger Adolf Cassau, Lehrer in Stade, konnte vor Ort nur noch den Rest einer unterirdischen Grabanlage feststellen. Den Ring hielt der Denkmalpfleger zunächst für Bronzezeitlich, denn Goldfunde kommen in Gräbern der Bronzezeit durchaus vor. Cassau erwarb für 40 Reichsmark den Fund und konnte so den Reif für das Stader Museum sichern.

Als wenig später allerdings die Reste eines jungsteinzeitlichen Gefäßes nebst Feuersteinbeil im zerwühlten Erdreich gefunden wurden, nährte sich der Verdacht, dass der seltsame Armreif wesentlich älter sein könnte, und gar aus der Zeit der Trichterbecherkultur stammen könnte. Eben jener Periode von etwa 3300-2700 v. Chr. - aus der auch die anderen Löhe-Funde stammten. Eine archäologische Sensation deutete sich an, waren doch hierzulande aus dieser frühen Siedlungs-Periode (die Trichterbecher-Leute waren die ersten Bauern in unserer Region) bisher keine Goldfunde bekannt. Während Cassau noch Rat in der Fachwelt einholte, gingen die Abtragungsarbeiten in Löhe weiter. Weitere drei Gräber wurden zerstört, lediglich einige Funde wie Gefäße und Flintbeile geborgen. Allerdings kam kein Gold mehr zutage.

November 1932
Denkmalpfleger Adolf Cassau,
links im Bild,
sicherte den Goldreif.

Wiederholt eilte Cassau nach Löhe, konnte dort noch ein teilzerstörtes und dann ein unbeschädigtes Grab untersuchen. Mit Hilfe seiner Ergebnisse und Befragungen von Augenzeugen gelang es ihm, die bislang von Familie Kühlke geborgenen Funde wissenschaftlich einzuordnen. Denn auch die Art des Grabbaus - Baumsäge unter flacher Erde - waren damals für den Zeitraum der Trichterbecherkultur noch unbekannt. Bis dahin ging man davon aus, dass die Trichterbecherleute ihre Toten ausnahmslos in den bekannten Steingräbern bestatteten. Seit dem Fund auf Kühlkes Weide musste die archäologische Fachwelt umdenken. Ein Erfolg auch für Lehrer Cassau, der auf diese Weise landesweit Anerkennung für seine Puzzlearbeit fand.

Wie nicht anders zu erwarten gab der Fund sofort Anlass zu vielfältigen weiteren Spekulationen. Woher kam das Gold, bzw. der Träger? War Himmelpforten bereits in der Jungsteinzeit ein Handelsplatz? Die Nähe zur schiffbaren Oste und spätere Funde im Horsterbeck legten die Vermutung nahe. Und woher stammte der Goldreif? Und auf welchen Wegen kam er nach Löhe? Fragen über Fragen, auf die es bis heute keine eindeutigen Antworten gibt.

Der Familie Kühlke zu verdanken, dass der älteste Goldfund Niedersachsens erhalten blieb und nicht das Schicksal so mancher Goldfunde teilen musste, die etwa zu Goldzähnen oder Eheringen umgeschmolzen wurde. Er ist heute an einem repräsentativem Platz im Stader Schwedenspeicher.-Museum ausgestellt,
eine Nachbildung befindet sich im Himmelpfortener Heimatmuseum.

Großenwörden
Die große "Wurt" an der Oste
Von Dietrich Alsdorf

Unscheinbare Scherben,
im Schlick der Oste aufgelesen, belegen es: Großenwörden ist älter als man denkt. Schon der Name des Ortes, der "erst" mit der Kolonisierung und Eindeichung der Ostemarsch im 12./13. Jahrhundert entstand, deutet auf eine wesentliche ältere Siedlung auf einer Wurt, einem künstlich aufgehöhten Wohnplatz hin. Wo diese nun lag, ist unklar. Die Scherben aus der Oste belegen aber, dass diese erste Siedlung in unmittelbarer Flussnähe zu suchen ist. Und das bereits vor rund 2000 Jahren! Lag hier ein Hafen an der Oste, vielleicht ein Handelsplatz? Das muss noch erforscht werden.

Über die frühe Geschichte von "Wurden" wie der Ort 1420 genannt wurde gibt es nur wenig. Allerdings wird der Ort 1255 erstmalig urkundlich erwähnt. Eine Zeit, in der - ähnlich wie in Burgweg - holländische Kolonisten die Marschen urbar machten. Großenwörden -wie übrigens auch Burweg - gehörten zur Börde Oldendorf, ihre Kirchen/Kapellen waren Fialkirchen der großen "Mutterkirche" auf der Geest

Markanter Mittelpunkt des Ortes bildet die schöne Fachwerkkirche von 1636. Das Baujahr ist in einer Rankenkartusche über dem östlichen Eingang dokumentiert. Der hölzerne Glockenturm entstand ein Jahr später. Oben in der Wetterfahne kann man die Jahreszahl 1697 erkennen. Das Innere ist geprägt von einem Kanzelaltar aus dem Jahre1704. Aus diesem Zeitabschnitt stammen auch die meisten übrigen Ausstattungsstücke. Der Kronleuchter stammt noch aus der Bauzeit der Kirche. Leider gibt es die alte Glocke aus dem Jahre 1757 nicht mehr, die in jenem Jahr aus einer noch älteren umgegossen wurde. Sie musste im zweiten Weltkrieg abgegeben werden.

Heute steht draußen am Turm eine
ausrangierte Gussstahlglocke, die seinerzeit
für die im Kriege abgelieferte
Bronzeglocke angeschafft wurde.

Die ältesten Bauteile der Großenwördener Kirche liegen im Fußboden. Die schlichen Ziegelplatten könnten spätmittelalterlich sein und könnten bereits die alte Kapelle vor 1636 geziert haben.

Zuvor gab es keine eigene Kirche in Großenwörden. Allerdings eine Kapelle, die in der Gegend der "Helle" gestanden haben soll. Großenwörden hatte vor 1636 zwar eine Kapelle, aber keinen eigenen Kirchhof. Die Zugehörigkeit des Dorfes zum Kirchspiel Oldendorf bedeutete auch, dass die Toten dort zu bestatten waren. Auf dem Oldendorfer Kirchhof hatten die Großenwördener den Bereich nördlich der Kirche. Heute geht über den alten Friedhof der Großenwördener der Ortsdurchgangsverkehr.

Erst ab 1636 hatten sich
die Großenwördener nicht nur eine
eigene Kirche, sondern auch eine
eigene Kirchhofswurt geschaffen.
Dort befinden sich einige
bemerkenswerte Grabmäler.

Die Richtstätte von Hechthausen
Von Dietrich Alsdorf

Auf der Kuppe des Koppelberges,
westlich von Hechthausen, befindet
sich der alte Richtplatz des einstigen
"adeligen Gerichts Hechthausen".

Im Gegensatz zum Galgenberg
von Kranenburg auf der östlichen
Seite der Oste ist der Platz auf
dem Koppelberg vollständig
erhalten geblieben.

Einst befand sich die Richtstätte
in offener Heide, heute ist
der Platz bewaldet.

Selbstverständlich gibt es keinen
Galgen mehr, auch nicht die schrecklichen,
aufgestellten Speichenräder, auf denen die
geschundenen Misstäter den
"Vögeln zur Speise" dienten,
wie es damals wörtlich hieß.

Der Hügel, auf dem sich
die Richtstätte befand,
ist ein wesentlich älterer,
urgeschichtlicher Grabhügel.

Dort, wo sich der Galgen befand,
steht heute ein Findling, auf denen
ein Galgen eingemeißelt ist.
Die umstehenden Feldsteine
erinnern an die getöteten
und verscharrten Menschen.

Der Gedenkstein mit
unmissverständlicher Darstellung.

Die Steine auf der Stelle,
wo sich der Galgen befand,
erinnern an die hier
getöteten Menschen.

Der Platz mit seiner
einsamen Bank ist
und war beliebter
Treffpunkt für
Liebespärchen. Viele
von ihnen verewigten
sich in einem dicken
Baum. Ein Scherzbold
aber schnitzte sogar
ein Richtschwert hinein.

r

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