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07.02.2020
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“ Hafenerinnerungen “ - Wilhelm von der Lieth (1885-1978) erinnerte sich an die Torfschiffahrt im Bremervörder Hafen in seiner Kindheit -
Kindheitserinnerungen des Bremervörder Bootsbauers Wilhelm von der Lieth wiederentdeckt von Rainer Brandt.
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Zunächst etwas zu seinem familien- und berufsgeschichtlichen Hintergrund. Wilhelm von der Lieths Urgroßvater Johann Jacob von der Lieth ( 1811 - 1872 ) war als Zimmergeselle nach Bremervörde gekommen und hatte dort am 20. Oktober 1839 Caroline Hilcker, die Tochter des Hutmacher Johann Erich Heinrich Hilcker geheiratet. Man zog in die Nähe des Bremervörder Hafens, mietete dort zunächst ein Wohnhaus mit kleiner Werkstatt und erwarb dieses dann am 21. Juni 1869 vom Bremervörder "Cämmerer" Heinrich Otten für den Kaufpreis von 900 "Thaler". Der Zimmermann arbeitete bereits damals an den Torfkähnen und Besanewern und diese Tradition setzte dann auch der einzige Sohn Claus Heinrich von der Lieth ( 1848 - 1928 ) als Zimmermann am Hafen fort. Georg Dauber schrieb in seinem Buch " Die Erinnerungen eines Bremervörder Bürgers " (S. 19) über ihn: " Meister von der Lieth - ein großer freundlicher Mann - machte allerlei Geräte für die Schiffer, Ruder, Masten und was sonst noch bei der Segelschifffahrt kaputt ging. Als das weniger wurde, auch Leitern, Pfähle, Stiele u. a. Alles damals noch mit der Hand." Der Sohn mit Namen Wilhelm Georg Claus aus der zweiten Ehe mit Catharina Margareta Polle, Tochter des Harsefelder Chausseeaufsehers Wilhelm Johann Ernst Polle, erblickte auch in dem kleinen Fachwerkhaus in der Hafenstraße am 30. März 1885 das Licht dieser Welt. Er ist der Protagonist dieses Kapitels mit seinen Erinnerungen , also lassen wir Wilhelm von der Lieth auch erzählen und versetzen uns mit seiner Hilfe um 110 Jahre zurück:
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Am Bremervörder Hafen um 1890. Von Wilhelm von der Lieth (1885-1978)
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“Hiermit will ich versuchen, den späteren Generationen zu berichten, wie es in meiner Jugend hier am Hafen zuging. Ich bin 1885 geboren und kann mich daher gut von 1890 an erinnern. Da es damals hier noch keine Bahn gab, spielte sich der ganze Warenaustausch am Hafen ab. Die hauptsächlichsten Güter waren ankommend Getreide, Steine, Dachziegel, Stückgüter. (Anm.: Die Steine und Dachziegel kamen fast ausschließlich aus den Ziegeleien an der Unteroste und wurden auf den Schiffen in den Bremervörder Hafen gebracht. Dort dann auf Ackerwagen umgeladen und dann zu den Baustellen in Bremervörde und umzu gebracht. Noch in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bezogen Bremervörder Bauunternehmen Ziegel auf diese Weise.)
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Von hier an gingen Torf, Holz, Torfstreu und Stackbusch. Der Torf kam aus den Mooren nördlich Gnarrenburg, Oerel, Glinde und Hesedorf. Der Torf aus den Mooren nördlich Bremervörde wurde hauptsächlich an den Schiffsstellen in Sanddamm und Elm verladen. Die zum Transport des Torfes benutzten Schiffe hießen bis Gnarrenburg " Bulle ", südlich davon " Huntschiffe ", die bis Bremen fuhren. Am Sanddamm waren es " Prähme ". (Anm. In der Folgezeit wurde die geographischen Grenzen und die Frachtquoten nicht mehr so konsequent eingehalten).
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Dieses schöne, alte Hafenbild hat seinen Weg aus Amerika wieder an die Oste gefunden.
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Das Holz, welches hier verladen wurde, kam aus dem Kreis Bremervörde bis hinter Zeven und Kuhstedt und wurde hier auf den Holzplätzen gelagert. Der Torf, der mit den Bullen kam, wurde in der Schleuse durchgeschleust und im Hafen auf die Ewer übergeladen. Die Ewer waren ein- oder zweimastige Segelfahrzeuge von 20 bis 40 Tonnen, die zur Unterelbe von Lüneburg bis Pellworm fuhren und alle mit Torf und Holz versorgten. Außerdem gab es noch die "Osteprähme", die von hier bis Neuhaus die Orte bedienten. Dann fuhr noch der Glasdampfer "Bremervörde", welcher das Glas - Tropfengäser - der "Marienhütte" in Gnarrenburg, das in Bullen nach hier gebracht wurde, nach Hamburg zum Weiterexport in alle Welt brachte.
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Zuletzt will ich noch der "Minna" gedenken, ein kleiner Schlepper der Bremervörder Mühlenwerke H. Hagenah, der die Getreideschiffe bei widrigem Südwind das letzte Ende herschleppen musste. Der Schiffer war Cord Schnackenberg, Heizer Knüppel.
Von den Ewerschiffern gab es zwei Kategorien: 1.die Torfschiffer, dies waren selbstständige Händler, die ihre feste Kundschaft hatten und keine Fracht fuhren; sie kamen leer nach hier. 2. die Frachtschiffer, diese luden für fremde Rechnung Frachten und nahmen diese, wo sie solche fanden.
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Die Stauer, die ich kannte, waren Joh. Wöbke, Hinr. Hagen, Lühr Dankers, Chr. Meyer, Claus Börger, Diedr. Kleen, Jürgen Holst. Jeder hatte seine feste Kundschaft.
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Für den Holzbedarf der Schiffer sorgten die Holzhändler; es kam hauptsächlich Brennholz in Frage, dies wurde in Faden aufgestapelt. 1 Faden war 7 Fuß hoch, 6 Fuß breit und 2 Fuß lang. Es waren alle Holzarten vertreten, vorherrschend Buche und Tanne. Die städtischen Holzplätze waren dicht mit Holzstapeln belegt. Die Holzhändler waren damals: Joh. Kleen, Diedr. Kleen, H. Otten, Otto Wilckens, Heinr. Wölpern. Drewes Dede, Otto Wischhusen, Jürgen Holst.
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Es kommen mit der Flut und gute Wind 6 bis 7 Ewer herauf."Mudder", ruft er," lot uns gau Kaffee drinken, dor komt weller Scheep ropp, dor ist Fehsfeld mit, ick kenn em bi denn witten Flicken int Seil. Ick mutt denn glieks los." Er trinkt schnell Kaffee und geht zum Hafen; die Schiffe sind inzwischen angekomen. "Gomorn, Hinnerk, goode Reis hatt?" sagt er. Fehsfeld sagt:" Danke, hett gohn. Dittmol mutt ick 4 Bullen Bäckertorf und 1 Bullen Backtorf hebben." "Jo,den will ick man gliecks losgohn, denn kannst Du woll morn oder öbermorn Dien Lodung hebben." Er geht nach Haus, holt seinen Handstock und sagt zu seinem Vater:"Ick mutt nu no Klenkendörp för Fehsfeld, denn kannst Du man no Oerel un Glin för Niklaus Janssen gohn, de is ok orpkam, de will 12 För Backtörf hebben." Dann ging er los; Fahrrad und Telefon gab es ja noch nicht. Nun mussten die anderen Stauer ja auch für ihre Schiffer zum Torfkaufen, aber sie gingen niemals zusammen, immer mit Abstand hintereinander. In Klenkendorf angekommen, ging er zuerst zu Schröder. " Züh, Gomorn", wurde er vom Bauern begrüßt," na kumm man erst mal rin ton Fröhstücken". Die Frau deckte den Tisch, und Hagen hieb gut rein, denn er hatte schon eine gute Tour gemacht. Dann gings ans Geschäft:" Na, wie is mit Törf?" " Jo, 2 Bullen sünd drög." " Denn bring de man morn her för Fehsfeld." " Jo, is good", sagt Schröder. Dann ging Hagen zu den anderen Bauern, bis er seinen Bedarf gedeckt hatte, und machte sich wieder auf den Heimweg und kam etwas nach Mittag hier wieder an. Am Hafen sagte er zum Schiffer:" Du hest Glück, krigs morn all de ganze Lodung."
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Nun wurden die Bullen durch den Kanal geschleppt, wobei sie viele Stauklappen zu überwinden hatten. Das oberste Brett der Stauklappe war beweglich; durch den Druck des Fahrzeugs klappte es flach und stellte sich nach dem Überfahren wieder auf. Endlich kamen sie in die Oste, wo die Bullen geschleppt wurden; bei gutem Wind konnten sie auch segeln. Gegen 6 Uhr kamen sie bei der Schleuse an, wo schon viele Bullen lagen. Einige derselben wurden durch den Schleusenmeister Wilh. Bartels aufgemessen. Vorsichtige Schiffer ließen dies machen. Ein Bullen hatte sein genaues Maß nach Länge, Breite und Höhe.
Dann fing das Durchschleusen an, immer zu zweien. Im Hafen mussten die Bullen bis zum Ewer gewriggt werden. Bald waren die 5 Bullen bei Fehsfeld zur Stelle. An jeder Seite ein Bullen, die anderen vorerst dahinter. Da zu jedem Bullen zwei Mann gehörten, waren 10 Mann, 1 Stauer und der Schifferknecht eifrig bei der Arbeit. Ab und zu musste der Schiffer, der nur zusah, einen einschenken. Gegen Mittag war die Arbeit vollbracht und der Ewer beladen. Nun holte der Schiffer seinen ledernen Geldbeutel aus der Kajüte, der mit goldenen Zehn- und Zwanzigmarkstücken gefüllt war. Und sagte:" Na, watt kost dittmal den Bullen". " 20 Dohler ist den Pries." Der Durchschnittspreis war 20 Taler, in trockenen Jahren sank er bis auf 17, während er in nassen auf 25 Taler stieg. Als jeder sein Geld erhalten hatte, wurden die leeren Bullen wieder durchgeschleust und legten bei der Insel an. (Anm.: Gemeint ist die kleine Osteinsel, die heute "Klein Helgoland" genannt wird und gegenüber dem "Oste-Hotel liegt.)
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" Hüt obend Klock 8 is Hochwater, denn geiht los", sagte der Schiffer. Um diese Zeit ging die Fahrt vor sich, Hagen konnte bei gutem Wind steuern. In Ochtenhausen angekommen bezahlte Fehsfeld das Staugeld, 6 Mark, für alle Arbeit des Stauers. "Na, denn goode Reis!" Hagen ging über die Fresenburg nach Hause und konnte um 1 Uhr ins Bett gehen.- Am nächsten Tag waren wieder ein bis zwei Schiffer zu betreuen.
So war es in der Saison (Mitte März bis Anfang Juni der alte Torf vom vorigen Jahr, und von Mitte Juli bis Ende November der neue Torf). Außerhalb dieser Zeit war das Geschäft flau. Deshalb hatten die meisten einen Nebenverdienst, Landwirtschaft, Holzhandel, Gastwirt(schaft) oder Gelegenheitsarbeit.
Drei Faktoren waren es, die die rege Schifffahrt zum Erliegen brachten. Zuerst wurden die Backöfen der Bäcker von Torf und Holzfeuerung auf Kohleöfen umgestellt. Da die Bäcker in Hamburg und an der ganzen Unterelbe die größten Abnehmer des Torfes waren, war dieser Ausfall sehr erheblich. Dann kamen 1898 die Bahnen nach Bremervörde, dieses traf hauptsächlich die Frachtschiffer. Und endlich war es der Kunstdünger, der die Torfbauern zu Landwirten machte, so dass sie keinen Torf zum Verkauf mehr gruben.
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Ein typisches Hafenbild der vorigen Jahrhundertwende mit den Segelschiffen und den Torfkähnen.
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Seit dieser Zeit ist unser Hafen öde und leer geworden, und von der Blütezeit desselben weiß bald niemand mehr.”
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Er hatte in jungen Jahren bereits seinen Beruf als Bootsbauer oder Rudermacher von seinem Vater Claus erlernt und dann später in einigen "Nischen" vervollständigt. Modelle von Torfkähnen und Besanewern aus seinen geschickten Händen stehen noch heute in einigen Regionalmuseen und hölzerne Haken zum Festmachen der Schiffe an der Kaimauer waren seine Spezialität.
Sein Gewerbe hat er erst im Alter von 77 Jahren abgemeldet, aber die Hände erst endgültig in den Schoß gelegt, als es am 17. April 1978 für immer geschah. Ich habe diesen liebenswürdigen Mann noch gekannt und kann daher sehr gut verstehen, wenn seine Schwiegertochter Elfriede und sein Enkel Claus-Wilhelm voller Zuneigung von ihm erzählen. " Unser Großvater war gebildet , belesen und kosmopolitisch interessiert. Ihn charakterisierte darüber hinaus eine große Familienbezogenheit und eine ausgeprägte Gläubigkeit." So beschreibt ihn sein Enkel, Dr. Claus-Wilhelm von der Lieth, mir gegenüber liebevoll. Und wir dürfen heute und zukünftig von diesen Charaktereigenschaften profitieren, denn sie haben ihn sicherlich veranlasst, diese schönen Erinnerungen aufzuschreiben.
Rainer Brandt
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